Vom letzten Winken

Im Halbdunkel der Abenddämmerung steht er da und winkt uns hinterher. So sehe ich ihn vor mir, an der Straßenecke vor seinem Haus, ich winke zurück, bin Beifahrer. Dann geht es nach Hause vom jährlichen Weihnachtsbesuch. Das war 2019.

Es wird kein Winken mehr geben. Ein Krankenhausaufenthalt brachte Corona. Das ist Deutschland, wo du wegen eines Sturzes eingeliefert wirst und, einer Virusinfektion erlegen, im Sarg herausgetragen. Weil für Reisende Schnelltests bereitstehen, für Patienten, die dir aufs Zimmer geschoben werden, aber offenbar nicht.

Es ist schwierig, niemandem Vorwürfe zu machen oder die Verantwortung zuzuschieben. Das prophylaktisch ausgegebene Spahnsche Wir werden uns viel zu verzeihen haben ist die vorab eingeholte Vergebungspolicy eines nicht gerade beneidenswerten Ministers. Aber der ist alles, bloß nicht schuld.

Mitgerissen vom Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre haben unsere Großeltern und Eltern ihr Leben dem fleißigen Streben nach Wohlstand geopfert, Wohlstand und grenzenloser Freiheit, und mittlerweile sind all die damals erreichten Errungenschaften uns selbstverständlich geworden – meine drei bis vier Urlaube im Jahr, der Kurztrip nach London zum Wochenendshopping, meine Parties, abendliche Gänge in die Kneipe und keineahnungwasnochalles -, so selbstverständlich, dass allein der Gedanke daran, das flächendeckend für ein paar Monate zu verbieten, Angstschweiß auf die Stirnen der Politiker treibt.

Ich befinde mich seit März im Lockdown. Ich verreise nicht, treffe keine Freunde, besuche noch nicht mal die Nachbarn im gleichen Haus. Das habe ich so gehalten, um ihn, der nun nicht mehr winken wird, nicht zu gefährden. Nun ist er fort. Wir hätten Weihnachten ohnehin ohne Freunde verbracht, jetzt wird es auch ohne Freude sein. Denn so sehr ich auch sicher bin, dass er von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wird, so sehr hinterlässt sein Tod großen Schmerz und viele Tränen bei uns. Da bleibt nicht viel Raum für Freude.

Ja, wir werden uns viel zu verzeihen haben. Das wird nicht leicht.

Mein 2019 war bereits überaus bescheiden, aber 2020 bekommt ein fettes Dislike. Allerdings sage ich nicht, es kann nicht mehr schlimmer kommen. Ich will nichts herausfordern.

Ich habe dieses Jahr einiges gelernt. Über uns als Gesellschaft, über mich als Mensch und über die nicht vorhandenen Grenzen geistigen Dünnschisses, von dem sich Menschen überzeugen lassen. Ich will auch kein Beileid von euch, darum erzähle ich das hier nicht, sondern ich will euch helfen, den Ernst der Lage einschätzen zu können. Falls ihr zu denen gehört, die kein Verständnis dafür haben, dass die Zügel wegen dieser Pandemie so sehr angezogen werden, so sage ich euch: nicht stark genug! Er könnte noch winken, wenn man diesen Sommer damit verbracht hätte, die Pandemie zu bekämpfen, statt den Leuten Brot und Spiele zu geben.

Und falls ihr zu den Jüngern der Ballwegs und Weidels und dieses Vegankochs gehört, falls ihr an Milliardäre glaubt, die euch Mikrochips einimpfen wollen und euch deshalb nicht impfen lasst, falls ihr im Masketragen einen Anlass seht, Widerstand zu leisten, Alter, löscht euch! Unterschreibt Verfügungen, dass ihr nicht nur kein Beatmungsgerät wollt, sondern gar nicht erst in ein Krankenhaus. Macht Gruppenkuscheln und liebt und durchseucht euch, aber bleibt weg von denen, die an eurer Dummheit sterben können.

Ja, wir werden uns wahrlich viel zu verzeihen haben, und ich hoffe, ich habe niemanden in meinem Bekanntenkreis, der sich zu den eben Erwähnten zählt. Falls doch, falls du Lesende:r dazugehörst: Geh mal in dich und frag dich, ob du Bock hast, deinen Vater oder deine Mutter auszumerzen.

Ich verrate euch was: Nicht nur die Regierung oder die Politiker:innen sind verantwortlich für das, was uns eben geschieht, sondern in erster Linie ihr. Eure fehlende Bereitschaft, zurückzustecken, aufeinander zu achten, Sorgfalt walten zu lassen – kurz: zu lieben. In meinem letzten Beitrag habe ich schon über die Schwierigkeit der Liebe zum Feind gesprochen, aber hier geht es um die Liebe zum Nächsten. Wenn sich nur jeder so verhalten würde, wie es die Nächstenliebe gebietet, hätten wir diese ganze Scheiße jetzt nicht so.

Weil ich den, der nun nicht mehr winken wird, geliebt habe, weil ich euch und auch, weil ich mich liebe und nicht an diesem Virus sterben will, habe ich meinen Lockdown seit März. Ich muss mir nichts verzeihen, denn ich habe alles getan, um euch vor mir zu schützen und mich vor euch. Ihr könnt euch drüber lustig machen, dass ich den elementaren Glaubensgrundsatz, die Liebe sei das Wichtigste im Leben, hier so breittrete, aber ich bin überzeugt, würden wir uns mehr bemühen, einander zu lieben, dann hätten wir deutlich weniger Tote zu beklagen in diesem Drecksjahr.

Amen!

Ich wünsche euch ein besinnliches Weihnachtsfest. Besinnt euch auf das, was euch ausmacht. Wie wollt ihr gesehen werden, wie wahrgenommen? Seid ihr bereit, für andere Opfer zu erbringen oder sind sie euch egal? Ist es euch wichtig, anderen Gutes zu tun oder dient ihr nur euch selbst? Vertraut ihr eurem Staat so weit, euch impfen zu lassen oder glaubt ihr lieber irgendwelchen Spinnern und Weltverschwörern?

Ich weiß nicht, wie lange ich noch winken können werde, aber ich weiß, dass ich es in Liebe tue. In diesem Sinne feiere ich mein Weihnachten. Heute wird Jesu Geburtstag gefeiert, ganz bescheiden mit Kartoffelsalat und Würstchen. Und dem traurigen Gedanken an den, der nicht mehr winken wird.

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

Von der schwersten Art zu lieben

(Für alle, die keinen Bock auf Gott und Glauben haben, lest diesen Text besser nicht, schade um eure Zeit.)

Über Liebe wird in meinen Augen in diesen Tagen etwas zu wenig gesprochen. Wir sprechen über Corona, Schulden, Ängste, wir sprechen über Klima, Katastrophen und abermals Ängste, wir sprechen über Verquerte, Verblendete, Verrwirrte und manchmal dann auch wieder über Ängste. Wann sprechen wir über die Liebe?

Auf Zeit Online las ich heute ein zunächst vielversprechendes Interview mit einer Jungsozialistin, die sich auf die Fahne schreibt, Christin zu sein. Durch die Kirche hat sie zu Gott gefunden, sagt sie, aber „die Liebe zum Feind kriegt sie einfach nicht hin.“

Man kann sich lieb haben, Respekt und Wertschätzung füreinander empfinden. Aber Liebe und Hingabe sind für mich keine essenziellen Bestandteile guter Politik.

[…]

Ich muss nicht anfangen, Friedrich Merz zu lieben.

Lilly Blaudszun im Interview vom 11.12.20 8:00 Uhr auf zeit.de

Ups! Aber es ist doch genau das, was Gott uns Christen abverlangt!

Was, wenn ihr die Liebe zu ihrem Feind Friedrich Merz im entscheidenden Moment die Gelegenheit gäbe, etwas herausragend Wichtiges zu erreichen, das uns allen zugute käme, oder andersrum, etwas ganz Katastrophales zu verhindern, das vielen von uns schaden würde?

Die Geschichtenerzählerin in mir hat sich Folgendes ausgemalt:

Es ist der 24.02.2022, als Paula B. am Abend um 18 Uhr ihr Büro verlässt. Auf dem Flur stößt sie in einem Augenblick der Unachtsamkeit mit dem twitternd um die Ecke biegenden Bundeskanzler Friedrich M. zusammen, der Inhalt ihrer Handtasche verteilt sich auf dem Fußboden, darunter auch ihre Autobrille, auf die M., nicht rechtzeitig anhalten könnend, dann auch drauflatscht.

Paula B. verspürt eine unglaubliche Wut, erst recht, als dieser arrogante Schnösel sie dann auch noch ansieht, als würde er ihr die Schuld an dem Missgeschick geben. Sie kann ihn sowieso nicht leiden, konnte es noch nie, zumal er sie schon mehrfach im Parlament in Gabrielscher Manier abgekanzlert hat, und genau dieser Blick ist es auch jetzt, der ihr da sagt: Du kleine Nervensäge schon wieder.

Plötzlich fühlt Paula neben ihrer Wut etwas anderes. Eine Gewissheit. Sie weiß, wenn sie jetzt anders als freundlich zu M. ist, wird sie nur einem schaden: sich selbst. Es wird M. nicht stören, wenn sie wütend ist, weil er damit rechnet. Er kennt sie so. Es ist ihm egal. Es wird ihm auch egal sein, wenn sie ihn merken lässt, dass sie ihn nicht mag. Auch das kennt er von ihr, von vielen anderen, so ist das Leben nun mal. Man kann nicht von allen gemocht werden, jedermanns Freund ist jedermanns Depp, viel Feind, viel Ehr usw. M. ist absolut abgebrüht, Paula hat gar keine Chance, ihn ihren Zorn so spüren zu lassen, dass ihm das etwas ausmacht. Und weil sie das in diesem kostbaren Augenblick begreift, erkennt, dass sie nur sich selbst wehtut, wenn sie ihrer Wut jetzt freien Lauf lässt, weil sie nicht in ihm etwas zerstören würde, sondern in sich, tut sie etwas, mit dem er nicht gerechnet hat. Sie lächelt ihn freundlich an und sagt: Entschuldigung, Herr Bundeskanzler, ich war wohl in Gedanken.

M. ist so perplex, dass er sofort abwehrt und sagt: Nein, nein, es war meine Schuld, ich hätte nicht auf mein Telefon starren dürfen, er bückt sich, hilft ihr, ihre Sachen zusammenzusuchen, nimmt voller Beklemmung die zertretene Brille auf und sagt: Die werde ich Ihnen natürlich ersetzen.

Na ja, sagt Paula, ich hätte sie nicht ohne Schutzhülle in meine Tasche tun sollen, aber er hat schon seine Visitenkarte herausgezogen (als wüsste sie nicht, wer er ist) und sagt: Schicken Sie die Rechnung an mein Büro und alle anderen Auslagen, die Sie im Zusammenhang mit dieser Sache haben werden.

Paula ist nicht nur freundlich, sie ist auch schlau. Sie wird M. nie wieder so nahe kommen wie in diesem Augenblick. es gibt keinen besseren Moment, sich mit ihm zu vernetzen, als diesen. Dabei spielt es keine Rolle, ob man sich leiden kann oder nicht; wenn man miteinander vernetzt ist, ist das die beste Grundlage für einen konstruktiven Austausch. Und ist das nicht genau das, wofür sie als Politikerin antritt: so konstruktiv wie möglich zum Wohl des Deutschen Volkes zu agieren?

Also nimmt sie seine Karte, gibt ihm im Gegenzug ihre und nennt ihren Namen, endend mit: Jusos, aber das wissen Sie ja vermutlich. Er grinst, nickt, und verabschiedet sich mit einem freundlichen: Wir sehen uns.

Eine Woche später kommt es im Bundestag zu einer wilden Debatte. Das linksgrüne Lager greift die Regierung wegen eines wirtschaftsdienlichen Vorhabens an. In seiner abgeklärten Art erklärt M., der Staat müsse Prioritäten setzen, und die Priorität seien in diesem Fall mehrere Millionen Arbeitsplätze, die es zu erhalten gälte.

Paula entschließt sich, ans Rednerpult zu treten. Als sie ihre Redezeit bekommt, sieht sie M. direkt an, nur ihn, lächelt, warm, sucht all ihre Fähigkeit zur Zuneigung zu diesem Mann in sich zusammen und sagt: Sehr geehrter Herr Bundeskanzler, wir beide sind ja Zusammenstöße gewöhnt und auch, dass dabei ein gewisser Schaden entstehen kann. Das möchte ich heute nicht. Ich will, dass etwas Gutes dabei herauskommt, wenn wir aufeinandertreffen. Darum bitte ich Sie in aller Freundschaft, mir zuzuhören.

Sie gibt ihr Plädoyer zum Besten – und er hört zu. Was sie sagt, arbeitet in ihm. Als sie sich später draußen sehen, kommt er auf sie zu und sagt: Ich bin sehr beeindruckt von Ihren Ausführungen. Ich werde sie in unser Vorhaben mit einfließen lassen und nach einer Lösung suchen, mit der wir alle leben können.

Was hier klingt wie ein Märchen, ist gar nicht so abwegig. Es ist eine Geschichte von gegenseitigem Respekt und dem wichtigsten Werkzeug, das uns Menschen mitgegeben wurde: der Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen. Wir treffen sie den ganzen Tag über, in allem, was wir tun. und jeder Entscheidung liegen mindestens die beiden Möglichkeiten zugrunde, etwas gut oder schlecht zu machen, Schaden oder Nutzen zu erzeugen. Paaren wir diese Tatsache mit der Anforderung an uns selbst, alles aus der Liebe zu allem heraus zu tun, so können wir kaum falsch handeln. Gemeint ist hier nicht die körperliche Liebe, sondern die geistige, Boden für Verstehen, Respekt und Freundlichkeit, Aufrichtigkeit und – ja – Hingabe.

Ich bin mir sicher, auch ein Friedrich M. schätzt die Welt, auf der wir leben, denn auch er hat nur diese. Mit Respekt und der Fähigkeit, die richtigen Knöpfe bei ihm zu finden und zu drücken, könnte vermutlich auch eine Jungsozialistin manchen Samen in ihm säen und er würde sich entfalten. Aber es braucht die Bereitschaft, diesen Menschen zu lieben, ihn als Mitmensch anzuerkennen. Der Mensch, der mit mir hier ist, mit meinen Tag, mein Leben bestimmt. Stringent der Christlichen Lehre folgend, hat er genau dieselbe Daseinsberechtigung wie ich. Es gäbe ihn nicht, wenn Gott das nicht hätte zulassen wollen.

Was aber, wenn es nicht Friedrich M., sondern Björn H. ist, mit dem man es zu tun hat? Kann man den auch lieben? Schwierig, aber das macht es nur umso interessanter. Spielen wir die Eingangsszene mal mit ihm durch.

Er latscht auf die Brille und herrscht Paula an: Können Sie nicht besser aufpassen?

Paula, schon allein bei seinem Anblick auf Krawall gebürstet, hat kein Interesse daran, nett zu ihm zu sein. Er verdient keinen Respekt und schon gar keine Zuneigung. Einen Menschen wie ihn könnte sie niemals lieben.

Aber Halt, wem schadet sie, wenn sie ihn jetzt angiftet? Ihm sicher nicht, ihm ist das wurscht, er erwartet nichts anderes. Sie würde nur sich selbst vergiften mit den negativen Gefühlen, denen sie in diesem Augenblick freien Lauf lassen möchte, also besinnt sie sich. Wenn es zu Gottes Plan für sie gehört, dass sie genau jetzt genau das erlebt, was gerade passiert – und davon geht sie infolge ihres Glaubens aus – dann will Gott etwas von ihr. Was könnte das sein? Will er zu Björn H. durchdringen? Von ihm bemerkt, gehört werden? Es sind ja gerade diese Seelen, auf die er scharf ist: die, die ihn nicht sehen wollen. Als Christ bist du in erster Linie sein Werkzeug, durch das er spricht und handelt, weiß Paula.

Sie atmet tief durch. Entschuldigung, Herr Abgeordneter, sagt sie und ringt sich ein Lächeln ab. Ich war abgelenkt und habe Sie nicht gesehen. Jetzt wird ihr Lächeln offener, sie spürt, wie sie alle Liebe zum Menschen, nicht der Person, in sich zusammenkratzt, und legt es in ein freundliches: Verzeihung.

Sie bückt sich, beginnt, ihre Sachen einzusammeln. Unschlüssig steht H. herum, ehe er mithilft, beginnend mit der zerstörten Brille.

Meine Autobrille, murmelt sie, weiterhin lächelnd, während sich auf seinem Gesicht ein Erkennen der Situation ausbreitet. Ich rufe Ihnen ein Taxi, schicken Sie mir die Rechnung, sagt er, und wieder erkennt Paula die Chance einer Vernetzung.

Stopp! Darf man sich mit so jemandem vernetzen?

Man muss es, sage ich, aber man muss sehr vorsichtig bzw. gefestigt sein.

Abgesehen davon, dass ich H., G, W. und wie sie alle heißen, ganz und gar schrecklich finde, muss ich doch hinnehmen, dass es sie gibt. Es gibt sie in politischen Ämtern, weil wir Entscheidungen treffen, jeder von uns. Unsere Vorfahren haben sich eines Tages für Demokratie entschieden, wir haben bis heute mangels besserer Syteme nichts anderes, und die Demokratie wiederum bietet jedem einen Platz in der Politik, der eine bestimmte Anzahl Stimmberechtigter hinter sich vereint. Solange unsere Verfassungsorgane ihre Arbeit ordentlich machen und Kräfte, egal aus welcher Richtung, nicht der Verfassungswidrigkeit überführt werden, zwingt uns die Demokratie, diese zu dulden. Und jetzt kommt es: Gott verlangt von uns, auch diese Menschen, für den ein oder anderen sind es Feinde, zu lieben wie uns selbst.

Wow. Hartes Brot, Jesus.

Aber: Wenn ich jetzt sage, so jemanden muss ich nicht lieben, wie die Jusoin im Interview über Merz, dann mache ich es mir leicht. Es ist aber nicht die Aufgabe von uns Christen, es uns leicht zu machen, ganz im Gegenteil. Zu lieben ist oft alles andere als leicht.

Was macht Paula? Tief durchatmen, in sich hineinhorchen. Sie könnte jetzt laut ausrufen: Gott liebt dich! und weggehen. Dann könnte sie sagen: Jesus, ich habe meine Aufgabe erledigt, mehr war einfach nicht drin. Such dir jemand anderen, um dich diesem Mann zu offenbaren. Also sagt sie: Nur für das Taxi? H. versteht nicht, also sagt sie: Na, Sie haben meine Brille zertreten. Die war nicht billig.

H. zieht die Brauen hoch, Na dann eben auch für die Brille, und jetzt quillt es aus Paula heraus, ohne dass sie es verhindern kann: Vergessen Sie beides, ich will mit Ihnen morgen Mittagessen, weil ich denke, wir sollten mal ganz sachlich und absolut ehrlich über unsere politischen Positionen sprechen. Danach gehen wir wieder unseren Angelegenheiten nach, wissend, wie der andere tickt.

Ja, das mag ja alles sein, denkt, wer diesen Text bis hierher durchgehalten hat, nun vermutlich, aber erstens hat das mit Liebe nichts zu tun und zweitens gibt es ja noch viel schlimmere Menschen, muss man die auch respektvoll behandeln? Was wäre, wenn statt Björn Adolf um die Ecke gekommen wäre, würde Paula mit dem auch essen gehen wollen, um ihm zuzuhören? Oder ein Vergewaltiger? Ein Kinderschänder?

Konsequenterweise muss die Antwort Ja lauten. Denn die Forderung , die Gott uns Menschen stellt, lautet: Liebe deine Mitmenschen wie dich selbst. Dieses Lieben beinhaltet die Bereitschaft, den anderen so zu behandeln, wie man von ihm behandelt werden will. Es wäre Willkür, hier Unterschiede zu machen. Wer sich nicht Christ nennt, der darf so handeln, aber wir, die wir Gott vertrauen und an Jesus glauben, haben dieses Recht nicht. Das macht es so schwer, ein Christ zu sein. Wir haben unsere Freiheit, unsere Unabhängigkeit eingetauscht gegen das unbedingte Vertrauen in den Willen Gottes. Für uns gilt: Sein Wille geschehe.

Die gute Nachricht lautet: Die Wenigsten von uns kommen in derart prekäre Situationen. Normalerweise begegnen uns Menschen, die uns zuwider sind, im Straßenverkehr, Supermärkten oder sonstigen öffentlichen Orten. Ich bin öfter in heiklen Situationen, weil immer wieder motorisierte Verkehrsteilnehmende mich Radlerin gefährden, und manchmal entfährt mir dann schon ein Schimpfwort oder zwei; ich ertappe mich und sage dann: Tschuldigung Vater, grinse und radle weiter. Die Zeiten, wo mir so ein Erlebnis den Tag versauen konnte, sind vorbei. Ich mache Fehler, andere machen Fehler, damit lebe ich, und schon ist Frieden in mir. Und ich kann euch sagen, innerer Frieden ist was Wundervolles. So leicht zu erreichen. Man muss seine Mitmenschen bloß lieben, es wenigstens versuchen.

Ich wünsche euch allen einen friedvollen Dritten Advent. Genießt die Besinnlichkeit, mit der uns die Umstände derzeit beschenken und bleibt gesund.

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

Vom Recht auf bezahlbares Fleisch

Das Dumme, wenn man viel Zeit hat, ist, dass man viel nachdenkt. Also ich. Ich nehme mir dann diese Zeit, um die Dinge genauer zu beleuchten, Meinungen zu lesen und sie in die eigene Meinungsfindung einzubeziehen. So zum Beispiel beim diese Woche laut gewordenen Vorschlag, den Mehrwertsteuersatz bei Fleisch von 7% auf 19% hochzusetzen.

Prima Idee, dachte ich zuerst. Fleisch ist schließlich nicht zwingend ein Grundnahrungsmittel. Außerdem ist es viel zu billig. Zum Teil so pervers billig, dass es Leute gibt, die es kaufen, im Kühlschrank vergammeln lassen und dann wegwerfen. Sprich: Der Wert einer Sache bemisst sich unter anderem nach dem Preis und darum kann Fleisch ruhig was kosten, dann wissen es die Menschen auch mehr wertzuschätzen.

Als dann im Verlauf der Tage beleuchtet wurde, wie gering sich die Märchensteuererhöhung auf den Preis des Billigfleisches aus Massentierhaltung auswirkt, verglichen mit dem vielfach teureren Biofleisch, überdachte ich meine Haltung. Nein, der Effekt würde zu gering sein, um Billigfleischkonsumenten vom Kauf desselben abzuhalten. Im schlimmsten Fall führt er vielleicht sogar dazu, dass Biofleischkäufer wieder auf konventionelles Fleisch umsteigen. Dazu kommt dann noch: Steuern dürfen in DE nicht zweckgebunden sein, sprich, das viel gepriesene Tierwohl würde mit den Mehreinnahmen, wenn überhaupt, nur so lange unterstützt, wie es den Politikern gefällt.

Das Thema war für mich dann eigentlich abgehakt, bis ich vorhin auf FB einen Kommentar zu einem Artikel des Zeitungsverlags Waiblingen las, in dem unter anderem folgender Satz stand:

Nur weil es Ärmere Leute sind haben die kein Recht auf bezahlbares Fleisch? ?

Wott???, schrie es in mir auf. Ein Recht auf bezahlbares Fleisch? Ich wollte der Dame was dazu sagen, von wegen dem derzeit viel bemühten Sonntagsbraten und so, aber alles in mir meinte, lass es, Emu, du wirst in dieser Diskussion nicht glücklich werden, Emu, ANTWORTE IHR NICHT!

Ich habe es gelassen. Ich schreib lieber hier, hier ist mein Blog, hier mach ich, was ich will.

Aaaalso: ES GIBT KEIN VERF***ES RECHT AUF BEZAHLBARES FLEISCH!

Recht kommt von richtig. Richtig wäre es, die tatsächlichen Kosten zu errechnen, die bei fairer Tierhaltung mit fairen Löhnen und fairen Ausgaben zu einem fairen Preis führen. Die Tatsache, dass Frau Magdalena R. es für selbstverständlich hält, Fleisch habe bezahlbar zu sein, ist nur ein weiteres Symptom eines völlig lobbyhörigen Staates, hier vertreten durch das befallene Körperteil BMEL, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Würde dieses Ministerium als Teil des Staates seinen Verpflichtungen gemäß Artikel 20a des Grundgesetzes nachkommen, gäbe es einiges nicht, vor allem keine Massentierhaltung, wie sie derzeit betrieben werden darf. Und dann würde auch niemand auf die Idee kommen, gemischtes Hackfleisch für 4,58 Euro das Kilo anzubieten oder ein ganzes Hähnchen mit 1100 Gramm für 3,44 Euro. Das ist KRANK!

Artikel 20a GG regelt neben dem Umweltschutz auch den Tierschutz. Es heißt dort:

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Es ist also nicht Magdalena R., der etwas vorzuwerfen wäre, die verhält sich nur so, wie es der Staat schon lange fördert. Es ist Julia K., die ich hier an den Pranger stelle. Nicht nur, dass sie nach wie vor Kükenschreddern und betäubungslose Ferkelkastration, Schnabelkürzung und Schwanzamputation zulässt, sie singt auch anderweitig schön das Hohe Lied des Bauernverbandes, indem sie in der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken“ (Achtung, Pdf) im § 12b das Umwidmungsverbot schafft, um es gleich im Satz 2 wieder völlig auszuhebeln.

Cephalosporine der 4. Generation sind sogenannte Reserveantibiotika, also das Zeug, das eingesetzt wird, wenn nichts anderes mehr hilft. Das sollte ausschließlich dem Menschen vorbehalten sein, es ist eine letzte Option vorm Abkratzen! Aber Frau K. ist das egal. Sie gewichtet die Interessen der Massentierhalter höher als die totkranker Leute. Sie ist für mich eine der verantwortungslosesten Politikerinnen unserer Zeit und ich bin mit meinem nicht geringen Wortschatz nicht in der Lage, die Hölle zu beschreiben, in die ich sie nach ihrem Ableben dereinst einzutreten wünsche.

Mannmannmann, es läuft so viel falsch in DE. Unsere industrieorientierte Regierung benimmt sich, als sei Geld alles. Für Geld darf man quälen, verseuchen, vergiften, zerstören. Man darf lügen und betrügen und wenn man erwischt wird, die Bußgelder zum Teil sogar absetzen. Und wehe, kritische Stimmen begehren auf, dann heißt es: Ja aber die Wirtschaft, aber die Arbeitsplätze, aber der Wohlstand. Ob es nun Audi Scheuer ist, Julia Klöckner oder Peter Altmaier, sie alle haben nur eines im Sinn: der Wirtschaft das Leben so leicht wie möglich zu machen, damit nur ja der Rubel rollt. Dabei wären sie verpflichtet, zum Wohle ALLER Menschen des Landes zu agieren, es zu schützen und zu bewahren, denn das schwören sie in ihrem Amtseid nach Artikel 56 Grundgesetz:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Aber die einzigen Menschen, die für sie maßgeblich zu sein scheinen, sind die mit dem fetten Geld.

Ich schließe für heute mit dem berühmten Zitat

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Alanis Obomsawin „Who is the Chairman of This Meeting?“

Oder mit meinen bescheidenen Worten:

Erst wenn es im Mai schon 42°C im Schnitt hat, Sylt abgesoffen ist und eure Kinder an multiresistenten Keimen sterben, werdet ihr merken, dass die Lobbyisten euch verarscht haben.

In diesem Sinne

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

Vom Lärm und Glücklichsein

Eine Freundin erzählte mir neulich, sie habe ein Buch gelesen, das ihr Leben veränderte. Es ging darum, sich von allem zu trennen, was nicht glücklich macht. So ähnlich bin ich es 2012 anlässlich eines Umzugs auch angegangen. Da hatte ich einen 3,5-Tonner und einen Lieferwagen. Der LKW fuhr zur Mülldeponie und der Lieferwagen zu meiner neuen Wohnung.

Inzwischen kann ich mich bei meinen Siebensachen umsehen und finde nicht mehr viel, das weg kann. Was ich mir gut vorstellen könnte, wäre, ohne Auto zu leben, allerdings ist da ein Haken: Ich habe nicht irgendein Auto. Ich besitze einen 20 Jahre alten Sportwagen, der mich sogar superglücklich macht. Ich benutze ihn nur fast gar nicht mehr. Allein ihn wegzugeben ist für mich unvorstellbar. Nicht nur, weil ich ihn dann nicht mehr hätte, sondern weil er einfach zu schön ist und es nicht verdient hat, von irgendjemand verheizt zu werden. Darum zahle ich brav weiter viel Geld für ihn. Ich lasse es mich was kosten, glücklich zu sein, ihn zu besitzen. Allerdings wird er auch mein letztes Auto sein.

Ich verbringe momentan viel Zeit damit, mich mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen, aber auch mit mir und dem, was mich stört. Ich gehöre zu der Generation, der eingeredet wurde, man könne bestimmte Dinge eben nicht ändern, müsse sie hinnehmen. „Man gewöhnt sich an alles“ ist eine Redewendung, die große Teile meines Lebens geprägt hat. Und es stimmt ja auch, man gewöhnt sich wirklich an (fast) alles, die Frage ist nur, macht einen das glücklich?

Wenn ich darüber sinniere, was mich am meisten stört und ich doch nicht ändern kann, komme ich immer wieder zum selben Schluss: Verkehrslärm. Ich wohne in einem reinen Wohngebiet in einer 30er-Zone. Man sollte meinen, hier sei es ruhig. Das ist leider ein Trugschluss. Ich habe mir den Spaß gemacht, heute von ca. 15:05 Uhr an ein paar Minuten das Diktiergerät anzuwerfen und die idyllische Stille meiner Wohnstatt aufzuzeichnen. Jetzt werden einige von euch sagen: Das ist doch gar nichts, komm mal zu mir, da ist es wirklich laut. Ja, das mag sein, aber genau das ist ja das Problem. Es ist überall laut. Wir sind eine schrecklich laute Zivilisation. Aber nicht, weil wir laut sein müssen, sondern weil wir mobil sein müssen. Die Mobilität macht die Industrienationen zu Krachmachern, wie es sie in der Geschichte des Menschen nie zuvor gegeben hat.

Es ist ein nahezu immerwährendes Geräusch. Das Rauschen der B. Die B, das ist die Bundesstraße 27, die ca. 2 Kilometer Luftlinie entfernt nordöstlich von meiner Wohnung verläuft. Etwa 70.000 Fahrzeuge rauschen dort entlang, täglich (Stand 2017). Bei Ostwind ist dieses Rauschen kein Rauschen mehr, da ist es, als verliefe die B in 200 Metern Entfernung. Dreht der Wind und kommt aus Nordwesten, wird es abgelöst vom Rauschen der A. Das ist die A 81. Sie verläuft etwa 3 Kilometer nördlich von mir und wird von über 125.000 Fahrzeugen täglich genutzt. Knapp 245.000 Menschen pendeln jeden Tag nach Stuttgart ein, über 90.000 pendeln aus. 84% davon mit dem Kfz.

Quelle: SWR

Wäre es nicht sinnvoller, dort zu arbeiten, wo man lebt? Tja, ganz bestimmt wäre es das, aber das muss man sich erst mal leisten können. Der Quadratmeter Wohnfläche kostete in Stuttgart 2017 im Schnitt fast 4000 Euro. Eine Wohnung mit 100 m² in Stuttgart Mitte über 800.000 Euro. Der durchschnittliche Mietspiegel liegt derzeit bei ca. 19 Euro je Quadratmeter. Thema durch, würde ich sagen.

Das ist also die heutige Zwangslage: Die Menschen müssen arbeiten, um zu leben, aber wo es Arbeit gibt, ist das Wohnen nahezu unbezahlbar, darum ziehen sie ins günstigere Umland und pendeln infolge des teuren und suboptimalen Öffentlichen Nahverkehrs mit ihrem Ehda-Auto. Ich kann sie verstehen. Trotz hohem Verkehrsaufkommen bin auch ich mit dem Auto immer schneller in der Arbeit als mit den Öfis, egal zu welcher Uhrzeit. Ich habe noch auf keiner PKW-Fahrt über eine Stunde gebraucht. Um um 6.00 Uhr in der Arbeit zu sein, genügt es, um 5:30 Uhr mit dem Auto loszufahren. Mit den Öfis muss ich das Haus um 4.48 Uhr verlassen. Mit dem Fahrrad etwa zur gleichen Zeit.

Aber habe ich nicht beschlossen, mich von dem zu trennen, was mich nicht glücklich macht? Lärm macht mich überhaupt nicht glücklich. Er macht mich sogar ziemlich unglücklich. Und darum lasse ich das Auto fast nur noch stehen. Mehr kann ich aus meiner Position gegen den Lärm nicht machen.

Das ist es überhaupt, wozu diese ganze „Gib-weg-was-dich-nicht-glücklich-macht“-Sache führt. Man wird ganz schleichend zum schlechten Konsumenten. Schon allein diese Frage: Brauche ich das denn wirklich? Das ist kapitalismusfeindlich. Verflixt noch mal, jetzt verdiene ich genug, um mir auch mal was leisten zu können, und dann benötige ich gar nichts. Und die ganzen Tricks der Werbeindustrie, mir einzuhauchen, ich bräuchte ganz dringend dieses moderne fette Auto oder das ultratolle Smartphone oder den supergroßen Fernseher – klappt nicht. Ich schaffe es irgendwie, fast alle Werbung so sehr auszublenden wie ich es mir vom Rauschen der B oft wünschen würde. Mist, ich bin ein schlechter Mensch für unsere Konjunktur.

Wirklich?

Na ja, ganz so ist es ja nicht. Möglicherweise profitieren China und Korea und Ingolstadt nicht sehr von meinem Konsumverhalten, aber dafür der Demetermarkt, der Wochenmarkt und der CAP-Markt ein paar Meter um die Ecke. Ich schau nämlich beim Einkaufen nicht mehr aufs Geld, sondern auf die Ware. Ich habe angefangen, die Konsumgüter in gut und böse (und irgendwas dazwischen) einzuteilen, und mit einmal spare ich richtig viel Kohle. Leider nicht genug für ein Eigenheim. Das muss wohl mindestens solange warten, bis ich in Rente gehe.

Was ändert nun mein Verhalten am Gesamtzustand? Nüscht, würde ich sagen. Und es wäre vermessen zu fordern: Verhaltet euch wie ich. Das ist mein Rezept für mein Leben, nicht für eueres. Ihr müsst selber zusehen, wie ihr glücklich sein könnt. Ich weiß nur so viel: Glücklich gekauft habe ich mich ganz selten. Darum bin ich wohl auch sehr zufrieden mit meiner finanziellen Lage. Ich brauche gar nicht mehr. Das, was ich über die materiellen Güter, die ich besitze, hinaus zum Glücklichsein bräuchte, ist für Geld nicht zu bekommen. Dafür benötigte es vielmehr eine andere Politik. Eine, die mehr für den Menschen tut und weniger für das viel gepriesene Wachstum.

Zum Abschluss verlinke ich hier noch einen schönen Artikel von Der Freitag. Den zu lesen, hat mich sehr glücklich gemacht und diesen Post schreiben lassen.

In diesem Sinne

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

Nach uns die Sintflut

Es ist der 30. Juni 2019, 10.15 Uhr, und ich sitze auf meinem Balkon. Noch ist es hier auszuhalten, denn es hat 25°C. Erwartet werden heute hier 35°C, in der Lausitz sogar über 38°C. Im Juni war es laut wetter.com heuer in Deutschland 4,4°C über dem langjährigen Mittel, im Osten sogar 6°C. Rekord jagt Rekord. Zum Glück ist für die kommenden Tage etwas milderes Wetter vorhergesagt.

Mein Kater weckt mich zurzeit morgens zwischen 5 und 6 Uhr, da ist die Wohnung etwas abgekühlt und das Tierchen fit. Aber schon jetzt sind aus den 23°C am Morgen indoor 26 geworden, bis heute Abend werden es wohl 28 oder mehr sein. Mit dem Kater brauche ich bis in die Abendstunden nicht mehr zu rechnen. Er schläft.

Wie gesagt, die heißen Tage sind ab morgen erst mal vorbei. Aber was, wenn das mal nicht mehr so ist?

Ich sah gestern ein Video, das mich gefangen hält. Bevor ihr weiterlest, seht es euch bitte an. Es wurde von der 1950 gegründeten Weltorganisation für Meteorologie herausgegeben und bereits am 19.09.2014 veröffentlicht. Darin gibt Sven Plöger einen möglichen Ausblick auf das Jahr 2050, also ein Jahr, das einige von uns wahrscheinlich erleben werden, und gruselig ist noch ein beschönigendes Wort für das, was der Mann da zum Besten gibt.

Freunde, es ist langsam aber sicher Zeit für Panik. Was uns früher gefreut hat, ein oder mehrere Hochsommertage im Juni, das wird uns bald ernsthaft zu schaffen machen. Es ist ja nicht das erste Jahr, in dem es heiß und trocken ist, und gerade im Osten, wo die Klimawandelleugnerpartei so beliebt ist, vertrocknet die Ernte und der Wald steht in Flammen. Bereits bis Ende April 2019 hatte es zehnmal so oft nennenswert in Europas Wäldern gebrannt wie im Zehnjahresdurchschnitt. Es ist nicht nur heiß, es ist auch furztrocken. So trocken, dass es in Ostwestfalen schon unter Strafe steht, den Rasen zu sprengen. Im Juni! Btw., ist eigentlich jemandem bekannt, ob in den entsprechenden Regionen auch kommerzielle Autowaschanlagen geschlossen wurden? Oder gilt auch für die Autowaschindustrie der Grundsatz Wirtschaft vor Leben?

11.24 Uhr, 28,7°C.

1982, eines der unbeschwertesten Jahre in meinem Leben, sind wir, unbedarft wie wir waren, bei Sonnernschein ins Freibad oder an einen See geradelt. Wir lagen in der Sonne, spielten im Wasser Frisbee und zerrten uns gegenseitig von den Luftmatratzen. Wer an einem Tag wie heute seinem Kind so was erlaubt, den sollte man wegen vorsätzlicher Körperverletzung anzeigen. Die UV-Belastung ist heute sehr hoch, man sollte am besten gar nicht aus dem Haus gehen.

(Quelle: https://www.dwd.de/DE/leistungen/gefahrenindizesuvi/gefahrenindexuvi.html Stand 30.06.19 11.40 Uhr)

Ja, es ist Sommer. Ja, im Sommer ist es warm. Aber es ist verdammt noch mal in den letzten 5 Jahren jedes Jahr zu warm und nein, daran ändert es auch nichts, dass es im Mai diesen Jahres ausnahmsweise mal etwas zu kühl war. Das Wetterkontor bietet eine wunderbare Möglichkeit, die Temperaturmittel in DE zu vergleichen. Wer also Langeweile hat, kann sich da Monat für Monat, Jahr für Jahr durchklicken und wird staunen. Btw., 1982 haben wir uns am 30.06. in Freiburg i. Br. über frühsommerliche 20°C gefreut. So kühl ist es heute nicht mal an der Ostsee.

Ich richte hier meinen Blick bewusst nur auf Deutschland, wohl wissend, dass es in benachbarten europäischen Ländern noch um einiges heftiger ist, von Indien ganz zu schweigen. Ich möchte nur über das schreiben, was ich glaube, aufgrund meines 50-jährigen Selbst einschätzen zu können. Meine Einschätzung sagt mir, es ist nicht normal, was zurzeit passiert.

Ich habe mich immer über warme Sommer gefreut. Allerdings muss ich gestehen, dass ich letztes Jahr die ein oder andere Heimfahrt von der Arbeit mit dem Rad zeitlich nach hinten verschoben habe, weil es mir einfach zu heiß und sonnig war. Um 15.30 Uhr 25 Kilometer unter hoher körperlicher Belastung zurückzulegen, wenn der Fixstern vom klaren blauen Himmel brennt, ist kein Zuckerschlecken. Da wartet man schon mal ein bisschen ab, auch wenn es um 16.30 Uhr auch nicht viel besser ist. Und manchmal habe ich auch bewusst das Auto genommen, weil es einfach zu heiß fürs Rad war. Widersinnig, gelt?

Aber so sind wir Menschen, nach uns die Sintflut. Es ist heiß, okay, rammeln wir los und kaufen eine Klimaanlage. Die bläst zwar noch mehr Wärme in die Umwelt, aber hey, drinnen ist es jetzt angenehm. Wir bringen mit dem Auto uns selbst zur Arbeit, die Kinder zur Schule und den Hund zum Spaziergang im Wald, weil es zu Fuß oder mit dem Rad zu heiß und wegen der UV-Strahlung auch zu gefährlich wäre. Wir versuchen, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben.

Aber wir – Sie und ich – sind nicht die Schlimmsten. Die größten Verbrecher, die sitzen in der Politik. Sie vergehen sich an der Zukunft unserer Kinder, sie opfern sie dem Profit, der Bequemlichkeit – dem Wachstum. Wie sagt Professor Harald Lesch so schön? Wachstum! Wachstum! Wachstum!

Indes treffen die Großen 20 sich in Osaka und beschließen mit 19:1 Stimmen, dass man sich zum Pariser Klimaschutzabkommen bekennt. Chapeau, das ist doch mal eine Leistung. Immerhin hat man nicht beschlossen, dass man sich wieder davon abwendet.

Aber auch bei Handel und Migration gabs nichts außer Wischiwaschi, nur bei den Finanzen kam man zu einem Konsens, einer Mindestbesteuerung für Unternehmen. Na immerhin.

Liebe G20-Länder, wisst ihr, wo ihr euch eure Mindestbesteuerung hinschieben könnt, wenn ihr die Klimaziele verbaselt? Dorthin, wo nie ein Lichtstrahl hinkommt. Wenn ihr nicht damit aufhört, unsere Atmosphäre mit immer mehr Schadstoffen zu schwängern, wenn es euch nicht gelingt, die Erderwärmung zu stoppen, dann fliegt uns die ganze Scheiße hier um die Ohren. Die wirtschaftlichen Schäden, die durch immer extremere Wetterphänomene entstehen werden, werden die Versicherungen eines Tages nicht mehr tragen können. Aber das ist noch gar nichts im Vergleich dazu, was passieren wird, wenn die Menschen nicht mehr genug zu essen haben, weil die Landwirtschaft kollabiert. Das wird verdammt nochmal Kriege auslösen. Vom Wassermangel fangen wir besser gar nicht erst an, bzw. davon, was passiert, wenn es zu viel Wasser gibt, wenn die Küsten absaufen und schwerste Regenfälle Überschwemmungen auslösen, die alles einfach wegspülen. Denkt ihr allen Ernstes, dass euch da eine Mindestbesteuerung von Unternehmen noch irgendetwas nützt? Wie dumm kann man eigentlich sein?

12.45 Uhr, 29,4°C. Geht ja grade noch.

Ich habe mich immer für einen Menschen gehalten, der mit Temperaturen gut umzugehen weiß. Im Winter brauche ich es nicht allzu warm, da reichen mir 18°C, und im Sommer halte ich auch knapp 30°C im Büro noch ganz gut aus. Mit Ventilator geht das schon. Das ist es auch nicht, warum ich diesen Text verfasse, sondern es ist Angst. Nackte, ungeschönte Angst.

Seit fünf Jahren gab es kein Jahr mehr (siehe oben), in dem die Temperaturmesswerte im oder unterhalb des langfristigen Jahresmittels gelegen haben. Das kann natürlich eine Phase sein, aber was wenn nicht? Wenn sich das immer weiter steigert? Glauben Sie nicht? Meinen Sie im Ernst, ein anerkannter Meteorologe wie Sven Plöger gibt sich für ein Video wie das oben verlinkte her, wenn er nicht davon überzeugt ist, dass das, was er damit aussagt, im Bereich des Möglichen liegt? Das ist verdammt noch mal ein Weckruf.

Die G20-Bosse, ja, die sitzen in ihren klimatisierten Riesenbüros und lassen sich wahrscheinlich mit dem Heli dorthin fliegen, wenn es zu gefährlich sein wird, auf die Straße zu gehen. Aber Sie und ich, wir werden nicht so einfach davonkommen. Noch ist alles gut, wir können noch am Tage arbeiten gehen, weil es noch erträglich ist, wir finden noch volle Supermarktregale, weil es noch Ernten gibt, die eingefahren werden können, wir können noch unser Auto waschen und zweimal täglich duschen, weil es noch genug sauberes Wasser gibt, das wir sogar aus dem Hahn trinken können.

Noch.

Wer weiß, wie lange noch.

Wenn Sie mir jetzt Panikmache vorwerfen, haben Sie recht. Ich will Panik machen. Es macht mich hilflos, mitanzusehen, wie unsere Politik nichts tut, als zu reden. Anstatt sich entschlossen aufs internationale Parkett zu stellen und zügig bindende Vereinbarungen zu fordern, flüchten sich unsere PolitikerInnen in halbgare Fernziele, die sie ziemlich sicher selbst nicht erleben werden. Wasch mich, aber mach mich nicht nass, das ist die Devise, nach der sie handeln. Alles soll wirtschaftsverträglich und freiwillig sein und darüber hinaus muss es noch Spaß machen. Danke für gar nichts, Herr Dobrindt. Politikern, die in Anbetracht des Ernstes der Situation so einen Stuss von sich geben, gehören die Bezüge aberkannt.

Puh, 13.20 Uhr, 32°C. Der Kater liegt in der Wohnung und schläft nach wie vor. Ich werde jetzt auch reingehen, mir ein schönes Buch schnappen und lesen. Ein Buch vielleicht, das von einer besseren Welt erzählt, mit vernunftbegabten Politikern und Wissenschaftlern, auf die gehört wird. Wenn es morgen etwas abkühlt, gilt das hoffentlich auch für mein Gemüt.

Schönen Sonntag noch.

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

Wieso ich vorerst keine Bücher mehr schreibe

(18.06.19: Den Ursprungstitel „Wieso ich nicht mehr schreibe“ habe ich abgeändert. Das stimmt ja so nicht.)

Hin und wieder treffe ich mich mit Menschen, die ich in der Zeit kennengelernt habe, als ich Geschichten schrieb. Manche von ihnen schreiben heute noch. Ich nicht.

Ich habe einiges angefangen, manches sogar weitestgehend fertiggestellt, eine Fantasygeschichte, einen Bauernroman, mehrere Ansätze zu einer Dystopie, in der die Braunen wieder das Ruder in DE übernehmen. Aber es geht nicht. Die Welt scheint immer mehr und schneller am Arsch zu sein, wie kann ich da irgendwelches Fantasiezeugs raushauen? Oder gar einen profanen Bauernroman? Und woher soll ich die Kraft nehmen, mich durch erfundene braune Kotze zu quälen, wo die bereits existierende doch schon ekelhaft genug ist?

Ich bewundere all jene, die in Zeiten wie diesen noch die Ruhe weg haben, ihre Kreativität in Fiktionen auszuleben. Mir fehlt das. Die freie Zeit, die ich habe, verbringe ich stattdessen mit lesen, fernsehen und neuerdings wieder mit Twitter.

Das hat mich auch politischer werden lassen, man kann ja kaum anders, wenn man nicht in einer Blase lebt. Das Problem ist, dass man schnell merkt, wie eindimensional die Denke unserer Regierenden oft wirkt und wie wütend das macht, vor allem dann, wenn man sich ansieht, was die Wissenschaftler dagegenhalten.

Das macht mich alles so sprachlos, dass ich keine 5 Seiten mehr schreiben will. Es ist jetzt nicht die Zeit dazu. Jetzt ist die Zeit, sich zu überlegen, wie es weitergeht mit uns, wo wir hinwollen und wie wir das bewerkstelligen.

Ich habe keine Kinder. Insofern könnte es mir egal sein, ob sich die Erde erwärmt und Osnabrück im Jahr 2100 zur Hafenstadt des Jahres ausgerufen wird. Ich könnte einfach weitermachen wie bisher, meine Lebensmittel so billig wie möglich einkaufen, mit dem Auto fahren, wann immer ich Bock darauf habe, und fliegen, wohin immer ich will. Aber so einfach geht es nicht. Es ist etwas mit mir geschehen; ein Umdenken hat sich in mir breitgemacht, das mich zwingt, mich bewusster mit der Erde und der Natur und ihren Gesetzen auseinanderzusetzen. Wohl wissend, dass ich alleine nichts ausrichten kann, fühle ich einen inneren Zwang, mein Leben zu ändern. Es den gegebenen Umständen anzupassen. Und die sind nun mal, dass die Welt nicht aufhört zu existieren, wenn ich dereinst das Zeitliche segne, sondern sie wird sich an mich erinnern. Sie wird späteren Generationen erzählen, wie ich mich verhalten habe. Eigentlich träumen wir Schriftsteller ja alle davon, dass man sich in Jahrhunderten noch an uns erinnert, aber bitte positiv.

Dieses Jahr werde ich meinen letzten innerdeutschen Flug antreten. Er ist schon gebucht, darum mache ich das noch. Ich buchte ihn übrigens, weil die Bahn genauso viel gekostet hätte, und dabei habe ich nicht mal den Spartarif genommen. Es ist Zeit, dass die Politik dafür sorgt, dass so was nicht sein kann.

Seit einiger Zeit kaufe ich fast ausschließlich Bio, möglichst regional. Mir geht es nicht darum, dass Bio gesünder ist … wobei der Gedanke, nicht den Antibiotikawahnsinn zu unterstützen, der in der Massentierhaltung stattfindet, natürlich seinen Reiz hat. In erster Linie tu ich das, damit es den Tieren und den Böden besser geht. (Zum Vegetarismus konnte ich mich bisher leider nicht durchringen.) Das lasse ich mich auch was kosten, weil ich in der glücklichen Lage bin, dass ich das kann.

Für meine Wege benutze ich überwiegend das Fahrrad. Der einzige Grund, warum ich noch ein Auto habe, ist der, dass es ein ACHTUNG WERBUNG 19 Jahre alter TT ist und ich ihn einfach liebe, auch wenn er fast nur noch herumsteht.

Ich bin kein besserer Mensch, weil ich mich so verhalte. Ich spüre nur, dass es notwendig ist. Je älter ich werde, desto größer wird mein Interesse daran, den Schaden, den ich durch meine Existenz verursache, klein zu halten. Wegen mir sollen keine Eintagsküken getötet werden und Schweine ihr Leben nicht im Stehen in einer Box verbringen müssen. Ich will, dass die Kuh, deren Milch ich trinke, weiß, wie Weidegras schmeckt und wie schön es ist, sich im Schatten eines Baumes in die Wiese zu legen. Ich muss auch nicht die fernsten Länder der Welt bereist haben, um meine Festplatte mit Abertausenden Fotos zu befüllen, die ich dann doch nie mehr ansehe. Ich brauche diese ganze Scheiße nicht.

Mein Gefühl sagt mir noch mehr. Es sagt mir, wir stehen vor einem Umbruch. Weiß Gott, wohin uns der führen wird, aber es wird sich einiges ändern. Bald. Ich vertraue einerseits auf die Jugend, die aufsteht, um uns zur Verantwortung zu ziehen, und fürchte andererseits die Konservative und deren braunen Saum. Vermutlich erlebe ich noch, wie die Zeiten unruhiger werden.

Auch wenn es illusorisch klingt, ich glaube fest daran, dass das Gute – die Vernunft – siegen wird. Es gibt so viele gute Ansätze und so viele Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen, ich kann es kaum abwarten, dass es endlich losgeht. Schluss damit, die falschen Dinge zu subventionieren, her mit dem fairen Handel, gerechten Löhnen, realitischen Preisen. Wir müssen im Inneren damit beginnen, es besser zu machen, damit es im Äußeren wirken kann. Das fängt beim Individuum an und setzt sich fort in Industrie und Politik.

Billig wird das nicht. Schmerzlos auch nicht. Es wird aber noch teurer und schmerzvoller, wenn wir nichts tun – vielleicht erst mal nicht in Europa, wir leben ja zumindest in DE auf der Insel der Seligen. Das ist allerdings auch im tiefsten Afrika bekannt, darum sind wir gut beraten, wenn wir daran mitwirken, das Klima und die Wirtschaft dort zu fördern, statt durch Raubbau und falsche Subventionen zu zerstören.

Ich bin gespannt, wie sich die Dinge in den nächsten 10 Jahren entwickeln. Wird es eine Grüne Kanzlerschaft geben? Werden die Braunen mancherorts regieren? Wird eine konsequente Klimapolitik zur viel beschrieenen Spaltung der Gesellschaft führen? Wird Klimapolitik überhaupt betrieben werden oder es weiterhin nur um Profit gehen?

Solange ich das nicht weiß, kann ich keine Geschichten erdichten. Meine und eure Zeit ist momentan zu wertvoll, um sie mit von mir erfundenem Nonsens zu vergeuden. Ich werde diese Zeit lieber nutzen, unseren Nachkommen zu bewahren, was mir zuteil wurde: eine wundervolle Natur, ein gemäßigtes Klima, Wohlstand und hoffentlich auch Frieden.

Verdammt, ich bin pathetisch.

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

HELIX – Enttäuschung auf 643 Seiten

Was hatte ich mich auf den neuen Elsberg gefreut. Zugegeben, ganz neu ist er nicht, ich habe bis zum Erscheinen des Taschenbuchs gewartet, ehe ich das Werk kaufte, aber Warten steigert ja bekanntlich das Verlangen. Und das war groß, nachdem ich seinerzeit BLACKOUT fast in einem Zug verschlungen hatte. Dann hielt ich es endlich in den Händen, HELIX. Mein Buchhändler meinte, es sei besser als ZERO, welches nicht so gelungen sei. Habe ich nicht zum ersten Mal gehört, es darum auch ausgelassen.

Also ran an den Speck. Ich stürzte mich auf den fast 650 Seiten langen Schinken. Gleich zu Beginn ein Todesfall, BÄMM, ein Minister geht auf einer Auslandsreise zu Boden, atmet nicht mehr, Jessica (die Stabschefin?) versucht zu reanimieren, erfolglos, immerhin bestätigen die Ärzte ihr später, sie habe alles richtig gemacht. Dumm nur, dass es, wie sich bald herausstellt, ein Virus gewesen sein könnte, das ihn dahingerafft hat, und Jessica sich vielleicht angesteckt hat. Alles halb so wild, sie darf trotzdem mit zur später folgenden Runde mit der Präsidentin der USA, muss halt einen Mundschutz tragen – ach nee, den darf die dann auch ablegen, hat sich doch nicht infiziert.

Derweil taucht in Afrika eine superresistente Maissorte auf, die sogar der Dürre trotzt und die Aufmerksamkeit von Saatgutherstellern auf sich zieht. Keiner weiß, wer sie gemacht hat, aber man fürchtet um das eigene Geschäftsmodell, denn der Mais ist plötzlich einfach da, scheinbar schon mehrere Jahre in Folge, und keiner will teures Geld dafür sehen. Ach ja, und dann gibt es auch noch ein Ehepaar, das drauf und dran ist, sich zu einem genmanipulierten Superkind überreden zu lassen (tatsächlich sogar zwei, einen Jungen und ein Mädchen, wenn schon denn schon) und mit vielen anderen Ehepaaren im Zuge dessen in eine Art Kinderzoo bringen lässt, in dem es „Ausstellungsstücke“ verschiedensten Alters begutachten kann. Alle supersportlich, frühreif, gescheit – wobei, wenn die echt so intelligent wären, wie der Autor sie dem Leser verkaufen will, würde die ganze weitere Handlung wohl anders verlaufen. Aber ein Protagonist ist halt bestenfalls kognitiv so leistungsfähig wie sein Schöpfer. Schließlich noch ein weiterer Handlungsstrang: Irgend so ein Wunderkindchen, Jill, ist verschwunden und wird nun gesucht, auch von der Polizei, aber der sagt man nicht alles, was man weiß. Suspekt, suspekt.

Sei’s drum, der Stoff hat Potenzial, nur leider ist alles von Anfang an so schrecklich absehbar. Abgesehen davon, dass ich mich manchmal frage, ob Elsberg seine Leser eigentlich für dumm hält. Beispiel: Die Afrikanerin, deren Mais so schön gedeiht, beschreibt den Nachfragern einen Geist, der ab und zu über ihrem Feld herumfliegt. Sie malt ihn sogar auf. Und auch der rückständigste Leser weiß sofort, sofern er irgendwann in den letzten fünf Jahren mal aus dem Haus gegangen ist: Das ist eine Drohne. Bei Elsberg wird das erst viel, viel später erkannt und ich fühle mich als Leser doch ein klein wenig veralbert. Nun gut, vielleicht ist das die neue Gate-Keeper-Funktion der Verlage. Es wird nur gedruckt, was auch dem verblödedsten Lesern vermittelt werden kann.

Aber dann, so um Seite 370 herum, gelingt es Elsberg tatsächlich, mich zu überraschen. Ich sage natürlich nicht womit, will nicht spoilern. Danach zieht sich aber alles wieder hin wie zuvor und manches Unnötige bläht das dem Leser lang werdende Buch immer weiter auf. Eine Entführung der Präsidentin, aus der aber auch gar nichts gemacht wird. Eine am Rande angedeutete Liebelei, die nicht wirklich entsteht und auch völlig entbehrlich ist. Gefühlte 30 verschiedene Akteure, vorzugsweise paarweise auftretend (Helge und Horst, Jessica und Rich, bei Linda und Bob musste ich schallend lachen und am meisten habe ich Hanni und Nanni sowie Ernie und Bert vermisst). Nur leider hat keiner von denen so etwas wie Gedanken oder Gefühle, bis auf Helen vielleicht, die Mutter der frisch eingesetzten Gen-Zwillinge. Die denkt wenigstens manchmal was oder fühlt sich irgendwie. Alle anderen handeln und reden nur, man sieht sie nicht, fühlt nicht mit ihnen, und wenn sie allesamt umgekommen wären, wäre einem das auch egal. Das alles in einer unbemühten Sprache, einem Erzählstil, wie man ihn sonst bestenfalls von ungeübten Jungautoren kennt. Nicht ein Versuch, etwas zu beschreiben. Nicht ein  Versuch, den Leser außer über Action in die Geschichte zu ziehen.

Schade, wirklich schade. Elsberg hat den Stoff verschenkt. Kräftig gekürzt, wofür viel Potenzial wäre, und dafür an anderen Stellen mit etwas mehr Atmosphäre und Human Touch gewürzt, vielleicht weniger reißerisch und dafür ideenreicher und nicht so vorhersehbar, einige fachliche und redaktionelle Fehler rauslektoriert, dann könnte man vielleicht Spaß an dem Wälzer haben. Aber so hat das Buch die Bezeichnung Thriller einfach nicht verdient. Es ist ein Jammer um die Zeit, die man damit vergeudet. Das Einzige, was beim Schließen des Werks zurück bleibt, ist die Erleichterung, es endlich als gelesen weglegen zu können.

Mechanische Hirngespinste

Mechanische Hirngespinste war ursprünglich eine Facebookseite, die ich eine Weile betrieben habe. Allerdings haben mich die neuen Datenschutzregeln dazu veranlasst, meine sämtlichen Facebook-Seiten zu schließen. Es ist mir jedoch ein Anliegen, hin und wieder auch übers Radfahren zu schreiben, weswegen ich das jetzt hier mache. Wozu betreibe ich sonst eine eigene Domain?

Gleich vorweg, meine Radbeiträge drehen sich normal um das Radfahren in Stuttgart, aber ich denke, die Themen dürften sich in vielen Städten gleichen. Was meine Stadt dabei interessant macht, ist, dass sie einen grünen OB hat und einen Gemeinderat, der neben 17 Sitzen für die CDU mit 14 Sitzen von den Grünen belegt wird. (SPD 9, SÖS 3, DIE LINKE 3, SÖS-LINKE-PluS 2, Freie Wähler 4, FDP 3, BZS23 2, STAdTISTEN1 AfD 1 und LKR 1; was das im Einzelnen für Gruppierungen sind, lässt sich hier nachlesen.) Darüberhinaus wird Baden-Württemberg Grün-Schwarz regiert. Man sollte also meinen, die Stadt Stuttgart tut weit mehr als alle anderen Städte für ihre Radfahrer und  fände beispielhafte Lösungen, für Auto, Rad und Fußgänger geeignete Verkehrswege bereitzustellen.

Die traurige Wahrheit ist, dass es hier auch nicht besser ist als in vielen anderen Städten. Vielerorts malt man sogenannte Schutzstreifen auf die Straße. Die dienen der optischen Abgrenzung zur eigentlichen Fahrbahn und sind schon hilfreich, wenn es eine verkehrsreiche Straße ist. Allerdings ist die Luft an solchen Straßen nicht gerade die beste, was zumindest mich dazu bringt, lieber auf Nebenstraßen zu fahren.

Sehr beliebt ist in Stuttgart das Umwidmen eines Fußwegs in einen gemeinsam genutzten Rad- und Fußweg. Da schreckt die Stadt auch vor den abenteuerlichsten Stellen nicht zurück. OB Kuhn sprach in seinem Wahlprogramm seinerzeit sogar von Todeszonen (von denen ich eine zweimal täglich überquere). Allerdings hat er, bzw. sein Verkehrsplaner, bisher wenig Anstrengungen gezeigt, diese zu entschärfen. Dazu müsste man auch ein bisschen mehr machen als malen und umwidmen. Bauen zum Beispiel. Stege über Fluss und Bahngleise, die in Tempo-30-Zonen führen wären manchmal toll. Aber die kosten natürlich mehr als Farbe und Schild. Viel mehr.

Immerhin sieht Doppelhaushalt 2018/2019 rund 7,6 Millionen Euro für den Ausbau der Hauptradrouten und weiterer Radwege vor. Man darf gespannt sein, was sie damit alles Tolles bauen.

Eine kleine Anekdote am Rande: Eigentlich wollte ich oben auf Kuhns Wahlprogramm verlinken, speziell zum Thema Verkehr. Da steht aber leider inzwischen:Fehler 404, File not Found.Dafür erfährt man auf fritz-kuhn-ins-rathaus.de neuerdings, wie man einen Weihnachtsbaum richtig schmückt.

Das Ganze selbstredend ohne Impressum 😉

Zurück zum Thema Radfahren. Ich lebe also in einer außerordentlich grünen Stadt, die bedauerlicherweise unter dem unschönen Ruf leidet, ziemlich miese Luft zu haben. Und weil die Stadt darüberhinaus 2016 mal wieder Stauhauptstadt wurde, fiel mir der Umstieg vom Auto auf’s Rad leicht. Ich kann ein gutes Gewissen der Umwelt gegenüber haben und tue gleichzeitig was für meinen Körper. Ich fahre fast jeden Arbeitstag 50 Kilometer Rad, und was soll ich sagen – es ist toll!

Mechanische Hirngespinste … so bezeichnete Karl Gutzkow, ein deutscher Schriftsteller (1811 – 1878), die von Karl Drais patentierte Draisine. Mein mechanisches Hirngespinst hat seit April letzten Jahres (Stand heute) an die 8400 Kilometer auf dem Buckel und mich so manches erleben lassen. Ich habe Gegenden gesehen, in die ich mit dem Auto nie gekommen wäre, nette und weniger nette Menschen kennengelernt und auch mich selbst ein wenig besser. Ich habe 10 Kilo abgenommen und kein Problem, mein neues Gewicht zu halten. Ich habe viel Geld gespart und viel Geld ausgegeben. Vor allem aber habe ich nie bereut, das Fahrrad gekauft zu haben. Es ist für mich eine echte Alternative zum Auto geworden, hat mein Denken verändert, mein Handeln, mein Leben. Es hat mich näher an die Natur gebracht und weiter weg von der Bequemlichkeit. Es hat mich gelassener gemacht und entschleunigt. Jedem, der mit sich selbst und der Welt unzufrieden ist, kann ich nur raten: Fahr Rad.

Fortsetzung folgt.

Ich auf dem Fahrrad in Neckartenzlingen

 

 

Mondfinsternis 2018

Es ist gar nicht so einfach, Bilder vom Blutmond zu machen. Die Verschlusszeit muss möglichst kurz sein, das ISO sollte aber auch nicht zu hoch gesetzt werden, Blende weit auf … eine echte Herausforderung für mein altes Analog-Tele. Und dann kommt halt noch dazu, dass meine Augen immer schlechter werden, da hilft auch die Dioptrin-Korrektur an der Kamera nicht viel. Memo an mich: Nu kauf doch endlich mal so ne olle Lesebrille im Drogeriemarkt!

Versucht habe ich es bei f/5.6 mit ISO 800 und zweimal 320. Belichtungszeit in derselben Reihenfolge 1/2 Sek, 1 Sek und 1/2 Sek. Alles Brennweite 300.

Das vierte Bild mag ich am liebsten. Da flog ein Hubschrauber vorbei.

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

Meine neue Liebe/Critical Mass

Wenn man lange nichts von mir hört, geht es mir gut. Dazu habe ich auch allen Grund, denn ich habe eine neue Liebe: Gertrud

Darf ich vorstellen, das ist sie.

Fahrrad

Lange habe ich gesagt, Stuttgart sei keine Fahrradstadt. Zu hügelig. Selbst um ein Ziel auf vermeintlich gleicher Höhe zu erreichen, muss man oft ca. 100 Höhenmeter überwinden. Hier beispielsweise das Höhenprofil meines Arbeitswegs:

Hoehenprofil
Erstellt mit www.google.de/maps

Davor habe ich mich immer gescheut, bis eines Tages ein Kollege mit seinem Pedelec zur Arbeit kam. Das gefiel mir. Damit sind Berge keine Berge mehr. Aber es ist halt auch ein teurer Spaß. Da rennste nicht mal eben in den Laden und kaufst eines.

Also habe ich ein Jahr lang gespart. Als ich genug Geld beisammen hatte, machte ich mich auf die Suche, und so entdeckte ich sie, meine Trudel. Das war am 11. April. Seither sind wir fast 1000 Kilometer gefahren. Zur Arbeit, ins Freibad, zum Finanzamt nach Schorndorf, einfach nur so die Weinberge hoch und runter und am Freitag dann zum ersten Mal zur Critical Mass Stuttgart.

Quelle: https://www.youtube.com/watch?v=USprc-UxL60

Die Critical Mass ist eine Initiative, die sich für eine fahrradfreundliche Stadt einsetzt. Zwar haben wir einen supergrünen OB in Stuttgart, aber Radfahrer ist der nicht. Auch wenn man hier und da ein paar durchgehende Linien auf die Straße gemalt hat, sogenannte Radfahrstreifen, parken doch oft auch rechts der Linien Autos (und manchmal auch darauf). Das ist problematisch, da die hiesigen Radfahrstreifen nur selten die vorgegebene Mindestbreite von 1,85 m erreichen, oft sind es eher 85 cm. Ich muss nicht erklären, was passieren kann, wenn sich da plötzlich eine Autotür öffnet. Das haben wir im Juni in Neukölln gesehen. Und weiter gibt es halt leider nicht überall Radfahrstreifen. Manchmal sind es auch getrennte Geh- und Radwege, oft sogar gemeinsame. Und im schlimmsten Fall gibt es gar keine. Dann hat man die Wahl, in verkehrsberuhigtere Bereiche auszuweichen, was die Fahrstrecke in der Regel verlängert, oder eben auf der Straße zu fahren. Dafür muss man schon ein ordentliches Selbstbewusstsein haben.

Die Lage ist also auch in Stuttgart noch verbesserungswürdig. Die Critical Mass will darauf aufmerksam machen, dass es viele Radfahrer in Stuttgart gibt. Ich glaube, dank des Pedelecs werden es künftig sogar noch viel mehr werden. Erstens ist radfahren gesund, zweitens steht man nie im Stau, drittens ist es sauber und leise und viertens, und das ist das Wichtigste, macht es einen Heidenspaß!

Ich schau jetzt noch ein bisschen Tour de France, mach anschließend die Trude klar für nächste Woche und vielleicht fahren wir nachher noch ein bisschen rum. Es gibt ja hier im Remstal schöne Touren, gelegentlich durchaus steil, aber wie schon gesagt: Mit einem Pedelec ist ein Berg kein Berg mehr.

Bis bald,

euer Emu

Stempelabdruck Emu