Vom Lärm und Glücklichsein

Eine Freundin erzählte mir neulich, sie habe ein Buch gelesen, das ihr Leben veränderte. Es ging darum, sich von allem zu trennen, was nicht glücklich macht. So ähnlich bin ich es 2012 anlässlich eines Umzugs auch angegangen. Da hatte ich einen 3,5-Tonner und einen Lieferwagen. Der LKW fuhr zur Mülldeponie und der Lieferwagen zu meiner neuen Wohnung.

Inzwischen kann ich mich bei meinen Siebensachen umsehen und finde nicht mehr viel, das weg kann. Was ich mir gut vorstellen könnte, wäre, ohne Auto zu leben, allerdings ist da ein Haken: Ich habe nicht irgendein Auto. Ich besitze einen 20 Jahre alten Sportwagen, der mich sogar superglücklich macht. Ich benutze ihn nur fast gar nicht mehr. Allein ihn wegzugeben ist für mich unvorstellbar. Nicht nur, weil ich ihn dann nicht mehr hätte, sondern weil er einfach zu schön ist und es nicht verdient hat, von irgendjemand verheizt zu werden. Darum zahle ich brav weiter viel Geld für ihn. Ich lasse es mich was kosten, glücklich zu sein, ihn zu besitzen. Allerdings wird er auch mein letztes Auto sein.

Ich verbringe momentan viel Zeit damit, mich mit aktuellen Themen auseinanderzusetzen, aber auch mit mir und dem, was mich stört. Ich gehöre zu der Generation, der eingeredet wurde, man könne bestimmte Dinge eben nicht ändern, müsse sie hinnehmen. „Man gewöhnt sich an alles“ ist eine Redewendung, die große Teile meines Lebens geprägt hat. Und es stimmt ja auch, man gewöhnt sich wirklich an (fast) alles, die Frage ist nur, macht einen das glücklich?

Wenn ich darüber sinniere, was mich am meisten stört und ich doch nicht ändern kann, komme ich immer wieder zum selben Schluss: Verkehrslärm. Ich wohne in einem reinen Wohngebiet in einer 30er-Zone. Man sollte meinen, hier sei es ruhig. Das ist leider ein Trugschluss. Ich habe mir den Spaß gemacht, heute von ca. 15:05 Uhr an ein paar Minuten das Diktiergerät anzuwerfen und die idyllische Stille meiner Wohnstatt aufzuzeichnen. Jetzt werden einige von euch sagen: Das ist doch gar nichts, komm mal zu mir, da ist es wirklich laut. Ja, das mag sein, aber genau das ist ja das Problem. Es ist überall laut. Wir sind eine schrecklich laute Zivilisation. Aber nicht, weil wir laut sein müssen, sondern weil wir mobil sein müssen. Die Mobilität macht die Industrienationen zu Krachmachern, wie es sie in der Geschichte des Menschen nie zuvor gegeben hat.

Es ist ein nahezu immerwährendes Geräusch. Das Rauschen der B. Die B, das ist die Bundesstraße 27, die ca. 2 Kilometer Luftlinie entfernt nordöstlich von meiner Wohnung verläuft. Etwa 70.000 Fahrzeuge rauschen dort entlang, täglich (Stand 2017). Bei Ostwind ist dieses Rauschen kein Rauschen mehr, da ist es, als verliefe die B in 200 Metern Entfernung. Dreht der Wind und kommt aus Nordwesten, wird es abgelöst vom Rauschen der A. Das ist die A 81. Sie verläuft etwa 3 Kilometer nördlich von mir und wird von über 125.000 Fahrzeugen täglich genutzt. Knapp 245.000 Menschen pendeln jeden Tag nach Stuttgart ein, über 90.000 pendeln aus. 84% davon mit dem Kfz.

Quelle: SWR

Wäre es nicht sinnvoller, dort zu arbeiten, wo man lebt? Tja, ganz bestimmt wäre es das, aber das muss man sich erst mal leisten können. Der Quadratmeter Wohnfläche kostete in Stuttgart 2017 im Schnitt fast 4000 Euro. Eine Wohnung mit 100 m² in Stuttgart Mitte über 800.000 Euro. Der durchschnittliche Mietspiegel liegt derzeit bei ca. 19 Euro je Quadratmeter. Thema durch, würde ich sagen.

Das ist also die heutige Zwangslage: Die Menschen müssen arbeiten, um zu leben, aber wo es Arbeit gibt, ist das Wohnen nahezu unbezahlbar, darum ziehen sie ins günstigere Umland und pendeln infolge des teuren und suboptimalen Öffentlichen Nahverkehrs mit ihrem Ehda-Auto. Ich kann sie verstehen. Trotz hohem Verkehrsaufkommen bin auch ich mit dem Auto immer schneller in der Arbeit als mit den Öfis, egal zu welcher Uhrzeit. Ich habe noch auf keiner PKW-Fahrt über eine Stunde gebraucht. Um um 6.00 Uhr in der Arbeit zu sein, genügt es, um 5:30 Uhr mit dem Auto loszufahren. Mit den Öfis muss ich das Haus um 4.48 Uhr verlassen. Mit dem Fahrrad etwa zur gleichen Zeit.

Aber habe ich nicht beschlossen, mich von dem zu trennen, was mich nicht glücklich macht? Lärm macht mich überhaupt nicht glücklich. Er macht mich sogar ziemlich unglücklich. Und darum lasse ich das Auto fast nur noch stehen. Mehr kann ich aus meiner Position gegen den Lärm nicht machen.

Das ist es überhaupt, wozu diese ganze „Gib-weg-was-dich-nicht-glücklich-macht“-Sache führt. Man wird ganz schleichend zum schlechten Konsumenten. Schon allein diese Frage: Brauche ich das denn wirklich? Das ist kapitalismusfeindlich. Verflixt noch mal, jetzt verdiene ich genug, um mir auch mal was leisten zu können, und dann benötige ich gar nichts. Und die ganzen Tricks der Werbeindustrie, mir einzuhauchen, ich bräuchte ganz dringend dieses moderne fette Auto oder das ultratolle Smartphone oder den supergroßen Fernseher – klappt nicht. Ich schaffe es irgendwie, fast alle Werbung so sehr auszublenden wie ich es mir vom Rauschen der B oft wünschen würde. Mist, ich bin ein schlechter Mensch für unsere Konjunktur.

Wirklich?

Na ja, ganz so ist es ja nicht. Möglicherweise profitieren China und Korea und Ingolstadt nicht sehr von meinem Konsumverhalten, aber dafür der Demetermarkt, der Wochenmarkt und der CAP-Markt ein paar Meter um die Ecke. Ich schau nämlich beim Einkaufen nicht mehr aufs Geld, sondern auf die Ware. Ich habe angefangen, die Konsumgüter in gut und böse (und irgendwas dazwischen) einzuteilen, und mit einmal spare ich richtig viel Kohle. Leider nicht genug für ein Eigenheim. Das muss wohl mindestens solange warten, bis ich in Rente gehe.

Was ändert nun mein Verhalten am Gesamtzustand? Nüscht, würde ich sagen. Und es wäre vermessen zu fordern: Verhaltet euch wie ich. Das ist mein Rezept für mein Leben, nicht für eueres. Ihr müsst selber zusehen, wie ihr glücklich sein könnt. Ich weiß nur so viel: Glücklich gekauft habe ich mich ganz selten. Darum bin ich wohl auch sehr zufrieden mit meiner finanziellen Lage. Ich brauche gar nicht mehr. Das, was ich über die materiellen Güter, die ich besitze, hinaus zum Glücklichsein bräuchte, ist für Geld nicht zu bekommen. Dafür benötigte es vielmehr eine andere Politik. Eine, die mehr für den Menschen tut und weniger für das viel gepriesene Wachstum.

Zum Abschluss verlinke ich hier noch einen schönen Artikel von Der Freitag. Den zu lesen, hat mich sehr glücklich gemacht und diesen Post schreiben lassen.

In diesem Sinne

Euer Emu

Stempelabdruck Emu