Vom Recht auf bezahlbares Fleisch

Das Dumme, wenn man viel Zeit hat, ist, dass man viel nachdenkt. Also ich. Ich nehme mir dann diese Zeit, um die Dinge genauer zu beleuchten, Meinungen zu lesen und sie in die eigene Meinungsfindung einzubeziehen. So zum Beispiel beim diese Woche laut gewordenen Vorschlag, den Mehrwertsteuersatz bei Fleisch von 7% auf 19% hochzusetzen.

Prima Idee, dachte ich zuerst. Fleisch ist schließlich nicht zwingend ein Grundnahrungsmittel. Außerdem ist es viel zu billig. Zum Teil so pervers billig, dass es Leute gibt, die es kaufen, im Kühlschrank vergammeln lassen und dann wegwerfen. Sprich: Der Wert einer Sache bemisst sich unter anderem nach dem Preis und darum kann Fleisch ruhig was kosten, dann wissen es die Menschen auch mehr wertzuschätzen.

Als dann im Verlauf der Tage beleuchtet wurde, wie gering sich die Märchensteuererhöhung auf den Preis des Billigfleisches aus Massentierhaltung auswirkt, verglichen mit dem vielfach teureren Biofleisch, überdachte ich meine Haltung. Nein, der Effekt würde zu gering sein, um Billigfleischkonsumenten vom Kauf desselben abzuhalten. Im schlimmsten Fall führt er vielleicht sogar dazu, dass Biofleischkäufer wieder auf konventionelles Fleisch umsteigen. Dazu kommt dann noch: Steuern dürfen in DE nicht zweckgebunden sein, sprich, das viel gepriesene Tierwohl würde mit den Mehreinnahmen, wenn überhaupt, nur so lange unterstützt, wie es den Politikern gefällt.

Das Thema war für mich dann eigentlich abgehakt, bis ich vorhin auf FB einen Kommentar zu einem Artikel des Zeitungsverlags Waiblingen las, in dem unter anderem folgender Satz stand:

Nur weil es Ärmere Leute sind haben die kein Recht auf bezahlbares Fleisch? ?

Wott???, schrie es in mir auf. Ein Recht auf bezahlbares Fleisch? Ich wollte der Dame was dazu sagen, von wegen dem derzeit viel bemühten Sonntagsbraten und so, aber alles in mir meinte, lass es, Emu, du wirst in dieser Diskussion nicht glücklich werden, Emu, ANTWORTE IHR NICHT!

Ich habe es gelassen. Ich schreib lieber hier, hier ist mein Blog, hier mach ich, was ich will.

Aaaalso: ES GIBT KEIN VERF***ES RECHT AUF BEZAHLBARES FLEISCH!

Recht kommt von richtig. Richtig wäre es, die tatsächlichen Kosten zu errechnen, die bei fairer Tierhaltung mit fairen Löhnen und fairen Ausgaben zu einem fairen Preis führen. Die Tatsache, dass Frau Magdalena R. es für selbstverständlich hält, Fleisch habe bezahlbar zu sein, ist nur ein weiteres Symptom eines völlig lobbyhörigen Staates, hier vertreten durch das befallene Körperteil BMEL, dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft. Würde dieses Ministerium als Teil des Staates seinen Verpflichtungen gemäß Artikel 20a des Grundgesetzes nachkommen, gäbe es einiges nicht, vor allem keine Massentierhaltung, wie sie derzeit betrieben werden darf. Und dann würde auch niemand auf die Idee kommen, gemischtes Hackfleisch für 4,58 Euro das Kilo anzubieten oder ein ganzes Hähnchen mit 1100 Gramm für 3,44 Euro. Das ist KRANK!

Artikel 20a GG regelt neben dem Umweltschutz auch den Tierschutz. Es heißt dort:

Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung.

Es ist also nicht Magdalena R., der etwas vorzuwerfen wäre, die verhält sich nur so, wie es der Staat schon lange fördert. Es ist Julia K., die ich hier an den Pranger stelle. Nicht nur, dass sie nach wie vor Kükenschreddern und betäubungslose Ferkelkastration, Schnabelkürzung und Schwanzamputation zulässt, sie singt auch anderweitig schön das Hohe Lied des Bauernverbandes, indem sie in der „Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über tierärztliche Hausapotheken“ (Achtung, Pdf) im § 12b das Umwidmungsverbot schafft, um es gleich im Satz 2 wieder völlig auszuhebeln.

Cephalosporine der 4. Generation sind sogenannte Reserveantibiotika, also das Zeug, das eingesetzt wird, wenn nichts anderes mehr hilft. Das sollte ausschließlich dem Menschen vorbehalten sein, es ist eine letzte Option vorm Abkratzen! Aber Frau K. ist das egal. Sie gewichtet die Interessen der Massentierhalter höher als die totkranker Leute. Sie ist für mich eine der verantwortungslosesten Politikerinnen unserer Zeit und ich bin mit meinem nicht geringen Wortschatz nicht in der Lage, die Hölle zu beschreiben, in die ich sie nach ihrem Ableben dereinst einzutreten wünsche.

Mannmannmann, es läuft so viel falsch in DE. Unsere industrieorientierte Regierung benimmt sich, als sei Geld alles. Für Geld darf man quälen, verseuchen, vergiften, zerstören. Man darf lügen und betrügen und wenn man erwischt wird, die Bußgelder zum Teil sogar absetzen. Und wehe, kritische Stimmen begehren auf, dann heißt es: Ja aber die Wirtschaft, aber die Arbeitsplätze, aber der Wohlstand. Ob es nun Audi Scheuer ist, Julia Klöckner oder Peter Altmaier, sie alle haben nur eines im Sinn: der Wirtschaft das Leben so leicht wie möglich zu machen, damit nur ja der Rubel rollt. Dabei wären sie verpflichtet, zum Wohle ALLER Menschen des Landes zu agieren, es zu schützen und zu bewahren, denn das schwören sie in ihrem Amtseid nach Artikel 56 Grundgesetz:

„Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde.“

Aber die einzigen Menschen, die für sie maßgeblich zu sein scheinen, sind die mit dem fetten Geld.

Ich schließe für heute mit dem berühmten Zitat

„Erst wenn der letzte Baum gerodet, der letzte Fluss vergiftet, der letzte Fisch gefangen ist, werdet Ihr merken, dass man Geld nicht essen kann.“

Alanis Obomsawin „Who is the Chairman of This Meeting?“

Oder mit meinen bescheidenen Worten:

Erst wenn es im Mai schon 42°C im Schnitt hat, Sylt abgesoffen ist und eure Kinder an multiresistenten Keimen sterben, werdet ihr merken, dass die Lobbyisten euch verarscht haben.

In diesem Sinne

Euer Emu

Stempelabdruck Emu

Wieso ich vorerst keine Bücher mehr schreibe

(18.06.19: Den Ursprungstitel „Wieso ich nicht mehr schreibe“ habe ich abgeändert. Das stimmt ja so nicht.)

Hin und wieder treffe ich mich mit Menschen, die ich in der Zeit kennengelernt habe, als ich Geschichten schrieb. Manche von ihnen schreiben heute noch. Ich nicht.

Ich habe einiges angefangen, manches sogar weitestgehend fertiggestellt, eine Fantasygeschichte, einen Bauernroman, mehrere Ansätze zu einer Dystopie, in der die Braunen wieder das Ruder in DE übernehmen. Aber es geht nicht. Die Welt scheint immer mehr und schneller am Arsch zu sein, wie kann ich da irgendwelches Fantasiezeugs raushauen? Oder gar einen profanen Bauernroman? Und woher soll ich die Kraft nehmen, mich durch erfundene braune Kotze zu quälen, wo die bereits existierende doch schon ekelhaft genug ist?

Ich bewundere all jene, die in Zeiten wie diesen noch die Ruhe weg haben, ihre Kreativität in Fiktionen auszuleben. Mir fehlt das. Die freie Zeit, die ich habe, verbringe ich stattdessen mit lesen, fernsehen und neuerdings wieder mit Twitter.

Das hat mich auch politischer werden lassen, man kann ja kaum anders, wenn man nicht in einer Blase lebt. Das Problem ist, dass man schnell merkt, wie eindimensional die Denke unserer Regierenden oft wirkt und wie wütend das macht, vor allem dann, wenn man sich ansieht, was die Wissenschaftler dagegenhalten.

Das macht mich alles so sprachlos, dass ich keine 5 Seiten mehr schreiben will. Es ist jetzt nicht die Zeit dazu. Jetzt ist die Zeit, sich zu überlegen, wie es weitergeht mit uns, wo wir hinwollen und wie wir das bewerkstelligen.

Ich habe keine Kinder. Insofern könnte es mir egal sein, ob sich die Erde erwärmt und Osnabrück im Jahr 2100 zur Hafenstadt des Jahres ausgerufen wird. Ich könnte einfach weitermachen wie bisher, meine Lebensmittel so billig wie möglich einkaufen, mit dem Auto fahren, wann immer ich Bock darauf habe, und fliegen, wohin immer ich will. Aber so einfach geht es nicht. Es ist etwas mit mir geschehen; ein Umdenken hat sich in mir breitgemacht, das mich zwingt, mich bewusster mit der Erde und der Natur und ihren Gesetzen auseinanderzusetzen. Wohl wissend, dass ich alleine nichts ausrichten kann, fühle ich einen inneren Zwang, mein Leben zu ändern. Es den gegebenen Umständen anzupassen. Und die sind nun mal, dass die Welt nicht aufhört zu existieren, wenn ich dereinst das Zeitliche segne, sondern sie wird sich an mich erinnern. Sie wird späteren Generationen erzählen, wie ich mich verhalten habe. Eigentlich träumen wir Schriftsteller ja alle davon, dass man sich in Jahrhunderten noch an uns erinnert, aber bitte positiv.

Dieses Jahr werde ich meinen letzten innerdeutschen Flug antreten. Er ist schon gebucht, darum mache ich das noch. Ich buchte ihn übrigens, weil die Bahn genauso viel gekostet hätte, und dabei habe ich nicht mal den Spartarif genommen. Es ist Zeit, dass die Politik dafür sorgt, dass so was nicht sein kann.

Seit einiger Zeit kaufe ich fast ausschließlich Bio, möglichst regional. Mir geht es nicht darum, dass Bio gesünder ist … wobei der Gedanke, nicht den Antibiotikawahnsinn zu unterstützen, der in der Massentierhaltung stattfindet, natürlich seinen Reiz hat. In erster Linie tu ich das, damit es den Tieren und den Böden besser geht. (Zum Vegetarismus konnte ich mich bisher leider nicht durchringen.) Das lasse ich mich auch was kosten, weil ich in der glücklichen Lage bin, dass ich das kann.

Für meine Wege benutze ich überwiegend das Fahrrad. Der einzige Grund, warum ich noch ein Auto habe, ist der, dass es ein ACHTUNG WERBUNG 19 Jahre alter TT ist und ich ihn einfach liebe, auch wenn er fast nur noch herumsteht.

Ich bin kein besserer Mensch, weil ich mich so verhalte. Ich spüre nur, dass es notwendig ist. Je älter ich werde, desto größer wird mein Interesse daran, den Schaden, den ich durch meine Existenz verursache, klein zu halten. Wegen mir sollen keine Eintagsküken getötet werden und Schweine ihr Leben nicht im Stehen in einer Box verbringen müssen. Ich will, dass die Kuh, deren Milch ich trinke, weiß, wie Weidegras schmeckt und wie schön es ist, sich im Schatten eines Baumes in die Wiese zu legen. Ich muss auch nicht die fernsten Länder der Welt bereist haben, um meine Festplatte mit Abertausenden Fotos zu befüllen, die ich dann doch nie mehr ansehe. Ich brauche diese ganze Scheiße nicht.

Mein Gefühl sagt mir noch mehr. Es sagt mir, wir stehen vor einem Umbruch. Weiß Gott, wohin uns der führen wird, aber es wird sich einiges ändern. Bald. Ich vertraue einerseits auf die Jugend, die aufsteht, um uns zur Verantwortung zu ziehen, und fürchte andererseits die Konservative und deren braunen Saum. Vermutlich erlebe ich noch, wie die Zeiten unruhiger werden.

Auch wenn es illusorisch klingt, ich glaube fest daran, dass das Gute – die Vernunft – siegen wird. Es gibt so viele gute Ansätze und so viele Möglichkeiten, das Ruder herumzureißen, ich kann es kaum abwarten, dass es endlich losgeht. Schluss damit, die falschen Dinge zu subventionieren, her mit dem fairen Handel, gerechten Löhnen, realitischen Preisen. Wir müssen im Inneren damit beginnen, es besser zu machen, damit es im Äußeren wirken kann. Das fängt beim Individuum an und setzt sich fort in Industrie und Politik.

Billig wird das nicht. Schmerzlos auch nicht. Es wird aber noch teurer und schmerzvoller, wenn wir nichts tun – vielleicht erst mal nicht in Europa, wir leben ja zumindest in DE auf der Insel der Seligen. Das ist allerdings auch im tiefsten Afrika bekannt, darum sind wir gut beraten, wenn wir daran mitwirken, das Klima und die Wirtschaft dort zu fördern, statt durch Raubbau und falsche Subventionen zu zerstören.

Ich bin gespannt, wie sich die Dinge in den nächsten 10 Jahren entwickeln. Wird es eine Grüne Kanzlerschaft geben? Werden die Braunen mancherorts regieren? Wird eine konsequente Klimapolitik zur viel beschrieenen Spaltung der Gesellschaft führen? Wird Klimapolitik überhaupt betrieben werden oder es weiterhin nur um Profit gehen?

Solange ich das nicht weiß, kann ich keine Geschichten erdichten. Meine und eure Zeit ist momentan zu wertvoll, um sie mit von mir erfundenem Nonsens zu vergeuden. Ich werde diese Zeit lieber nutzen, unseren Nachkommen zu bewahren, was mir zuteil wurde: eine wundervolle Natur, ein gemäßigtes Klima, Wohlstand und hoffentlich auch Frieden.

Verdammt, ich bin pathetisch.

Euer Emu

Stempelabdruck Emu